Dülmener Rosenapfel

Der Dülmener Rosenapfel

Die Vorgeschichte

frühes Blütestadium

Johannes Jäger, Lehrer an der Dülmener Volksschule betrieb für den Unterricht eine Obstbaumschule. Das Veredeln von Obstbäumen gehörte zum regulären Unterricht der Jungen. Die Anwachsergebnisse mussten jährlich an den Bürgermeister gemeldet werden. Neben Äpfeln und Birnen wurden auch Kirschen und selten Walnüsse veredelt. Sortennamen sind nicht überliefert. Es wurden einfach ‚gute Sorten‘ vom Baum aus dem Küchengarten genommen, die üblicherweise zum Kochen, Backen und Einmachen verwendet wurden.

Ein Herbstapfel

Der Dülmener Rosenapfel reift ab Mitte September und gehört deshalb zu den Herbstäpfeln. Zwar wird der genaue Reifezeitpunkt und damit auch Erntezeit von vielen Faktoren beeinflusst, aber grundsätzlich unterscheidet man zwischen Sommer-, Herbst- und Winterapfel. Sommeräpfel wie der Weiße Klarapfel und Weißer Astrachan sind bereits im Juli reif, lassen sich aber nicht lange lagern und eignen sich deshalb zum sofortigen Verzehr. Herbstäpfel wie Gravensteiner und Dülmener Rosenapfel reifen im September und Oktober. Weil sie länger Sonne hatten, haben Sie nicht nur ein stärkeres Aroma, sondern auch mehr Inhaltsstoffe. Einige Herbstsorten lassen sich lagern, andere nicht. Der Dülmener Rosenapfel wird schnell mehlig und sollte deshalb besser sofort gegessen oder verarbeitet werden. Zu den Winteräpfel zählen die Ananasrenette und der Rote Boskoop. Sie reifen ab Ende Oktober, erreichen ihr volles Aroma aber erst im Dezember. Winteräpfel sind bei frostfreier Lagerung bis zum Frühjahr verwendbar.

kurz vor der Ernte

Die Entstehung

Die Sorte soll um 1870 in Dülmen entstanden sein. Es sind verschiedene Namen überliefert: Dülmener Herbstrosenapfel, Dülmener Rosenapfel, Dülmener Rose und Dülmer Rose. Lange Zeit nahm man an, dass sie ein Sämling des Gravensteiner ist. Durch genentische Untersuchungen wissen wir heute, dass sie vom Weißen Astracher abstammt.

Rechnungsrat Ludwig Bielefeld berichtet in den Dülmener Heimatblättern von 1927, dass die Sorte von regionalen Baumschulen geführt wird. Er nennt drei Betriebe, von denen heute nur noch die Baumschule Sennekamp (Senden) existiert. Die anderen beiden waren die Baumschule Gebr. Hanses (Münster-Hiltrup) und die Baumschule Lackmann (Olfen).

Die Baumschule Sennekamp spielte seinerzeit eine besondere Rolle, da die Verbreitung der Sorten – zumindest im Münsterland – wahrscheinlich von hier aus begann.

Der Rosenapfel

Johannes Jäger hat die neue Apfelsorte angeblich nach seiner Frau Rosemarie benannt. Als Lehrer in einem Dorf im katholischen Münsterland, im 19ten Jahrhundert, war er eine zentrale Persönlichkeit in seinem sozialen Umfeld – sollte man annehmen. Hätte er die Sorte deshalb nicht eher Marienapfel genannt?

August Friedrich Adrian Diel (1756-1839), ein Arzt und Obstexperte entwickelte eine Klassifizierung der Apfelsorten, die sich im wesentlichen an der Form der Früchte orientierte.

Karl Friedrich Eduard Lucas (1816-1882) und Johann Georg Conrad Oberdieck (1794-1880) verfeinerten die Dielsche Klassifizierung und es entstanden 15 Kategorien.
Die zweite Kategorie, der Rosenapfel hat demnach folgende Eigenschaften:

  • Form: verschieden, doch meist auf der oberen Hälfte sanft gerippt,
  • Schale: duftend; fein, zart und glänzend nach Abreiben,
  • Fruchtfleisch: sehr locker, schwammig, dem Druck des Fingers leicht nachgebend. Gewürz fein, oft süßlich, aber nicht beerenartig wie bei den Kalvillen.

Diese Einteilung hat heute nur noch eine untergeordnete Bedeutung, vor allem weil die Formenvielfalt dazu führt, dass viele Sorten in mehrere der Kategorien passen. Durchgesetzt hat sich inzwischen die Einteilung nach Reifezeitpunkten also Sommer-, Herbst- und Winterapfel. Vielen Sortennamen beinhalten trotzdem heute noch die Kategorien nach Diel, Lucas und Oberdieck, wie Berner Rosenapfel, Moringer Rosenapfel und Virginischer Rosenapfel.

Bei einer Obstaustellung in der 1870er Jahren in Greiz (Thüringen), seinerzeit ein wichtiges Zentrum des Obstbaus im Deutschen Reich, trat der Dülmener Rosenapfel erstmals in Erscheinung.

Ingenieur Bahnmeister Bröser

Im westfälischen Münsterland scheint der Dülmener Ingenieur Bahnmeister Bröser an der regionalen Verbreitung maßgeblich mitgewirkt zu haben. Dieser hatte Kontakt zu dem berühmten Apfelforscher Eduard Lucas, dem Gründer des Pomologischen Instituts in Reutlingen (Baden-Württemberg).

Bahnmeister Bröser schickte ihm im Jahr 1878 Früchte der ‚wahrscheinlich neuen Sorten‚ mit der Bitte zu, die ‚noch nicht beschriebene Sorte‘ zu untersuchen und ‚obigen Namensvorschlag‚ zu berücksichtigen.

Später fanden auch Edelreiser den Weg nach Reutlingen. Ob aber Bäume zur Sortensichtung veredelt und aufgepflanzt wurden, ist fraglich.

Eduard Lucas hielt die neue Sorte für eine Variante des Braunschweiger Pfundsapfels, stellt als Unterschied aber einen ‚eigenthümlichen aromatischen Duft‘ fest.

Eine neue Sorte entsteht

In den Geisenheimer Mitteilungen von 1911 wird ein Obstzüchter aus Hildburghausen (Thüringen) genannt, der begann die Sorte in größerer Stückzahl zu vermehren, vielleicht handelte es sich dabei um Carl Will.

In den Heimatblättern von 1927 gibt Bielefeld an, dass Ingenieur Bröser weitere Personen kannte, die an der Entwicklung der Apfelsorte beteiligt waren. Leider nennt Rechnungsrat Bielefeld keine Namen und die Durchsicht des Bielefeld’schen sowie Brösers Nachlass lieferten bisher keine Erkenntnisse. Vielleicht sind die Dokumente verloren gegangen oder wurden im Zweiten Weltkrieg vernichtet.

Die städtische Baumschule

Aus dem Urkataster der Stadt Dülmen von 1825 geht hervor, dass im Bereich der Lustgärten der Stadt, am südöstlichen Wallgraben, eine Baumschule bestand. Wenn man heute von der Halterner Straße in die Vollenstraße abbiegt und der Straße ca. 170 m folgt, lag die Baumschule auf der linken Seite, etwa dort wo jetzt ein Transformator steht. Vielleicht lag hier die Obstbaumschule der Volksschule Dülmen.

Die herzogliche Baumschule

Nach dem Bau des Schlosses an selber Stelle durch Alfred von Croÿ im Jahre 1834, wurde die Baumschule wahrscheinlich Teil des neuen Schlossparks und später durch den Schulmeister Wald betreut.

Lehrer Wald, der an der Dülmener Volksschule von 1817 bis 1862 (also 45 Jahre lang!) unterrichtete, lehrte scheinbar nicht nur das Handwerk des Veredelns, sondern war auch in der Züchtung aktiv. Auf ihn geht die Sorte Dülmener Prinzenapfel zurück, von der heute nichts mehr bekannt ist.

Vermutlich wegen seines fortgeschrittenen Alters übertrug Schulmeister Wald die Betreuung der Baumschule auf seinen jüngeren Kollegen.

Johannes Jäger – Der Vater der Dülmener Rose

blasse Schattenfrüchte

Johannes Jäger, geboren am 20. Januar 1820 in Recklinghausen war 32 Jahre lang Lehrer an der Volksschule in Dülmen.

Auf Betreiben des Lehrers Wald sowie des Herzogs Alfred von Croÿ wurde ein Schulobstgarten auf dem Schlossgrundstück eingerichtet. Dieser fand scheinbar große Beachtung und wurde sogar prämiert.

Als Belohnung für die Prämierung wurde eine Obstanzucht ins Leben gerufen, deren Organisation dem Lehrer Jäger übertragen wurde. Es fand eine intensive Züchtungsarbeit statt, in deren Verlauf auch die Baumschule Sennekamp in Senden einen Beitrag leistete.

Nach seiner Pensionierung zog Jäger nach Hildburghausen in Thüringen, um dort die Züchtung weiter zu betreiben. Der Dülmener Rosenapfel gilt seither auch in Thüringen als Regionalsorte, ob er aber dort den selben Namen trägt, ist fraglich.

Es liegt nahe, das Lehrer Jäger sich der Infrastruktur der Baumschule Carl Will bediente, die offizielle Registrierung der Sorte scheint aber durch den Ingenieur Bahnmeister Bröser erfolgreich betrieben worden zu sein.

Johannes Jäger starb im Jahr 1880.

Was nach dem Weggang Jägers mit der Baumschule, dem Schulobstgarten und der Apfelzüchtung in Dülmen geschah, ist nicht bekannt.

Die Baumschule Schmitz-Hübsch

(Quelle: Elmar Schmitz-Hübsch, 2023)

Hans Schmitz-Hübsch verließ in Folge der Besetzung durch die Rote Armee seinen Baumschulbetrieb in Langenweddingen bei Magdeburg. 1948 errichtete er einen neuen Betrieb und die Apfelplantagen am Baumschulenweg, jenseits der Bahnlinie Münster/ Essen. Sein Vater Otto Schmitz-Hübsch (1868-1950) Obstanbauer in Merten bei Bonn, war ein gefeierter Obstbaupionier und Züchter, der die Sorte Roter Boskoop fand. Der Obstbaubetrieb in Merten bei Bonn wird heute in 4. Generation geführt.

Apfelernte in Merten, um 1900

Die Baumschule Schmitz-Hübsch in Dülmen würde man heute als joint-venture bezeichnen. Eigentümer der Ländereien war (und ist heute noch) der Herzog von Croÿ. Schmitz-Hübsch und von Croÿ waren gleichberechtigte Gesellschafter des Produktionsbetriebes, dessen Sortiment vorallem aus Landschaftsgehölzen bestand. Die wurden nach Ende des Zweiten Weltkrieges zur Begrünung des neu entstehenden Straßen- und Autobahnnetzes gebraucht.

Das Ende der Apfelplantagen

Hans Schmitz-Hübschs Sohn Otto führte den Betrieb noch bis Ende der 1970er Jahre weiter und gab dann die Kulturen auf. 1986 übernahmen Norbert und Renate Reckmann den Baumschulbetrieb. Letzte Teile der Apfelplantage wurden Anfang der 1990er Jahre gerodet. Von den Obst-Lagerhallen steht noch eine, die der Baumschule Reckmann bis heute als Wirtschaftsgebäude dient. Das ehemalige Hauptgebäude, dass dem Inhaber der Baumschule Reckmann als Wohnsitz diente, ist im Jahr 2015 einem Neubau gewichen.

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